Blaue Stunde
 
Die Blaue Stunde ist die Zeit, in der der Himmel ungefähr so hell wie die Reflektionen der Straßenbeleuchtung an Straßen, Gebäuden und Bauwerken ist. Das ist insbesondere für die Fotografie interessant, da man zu dieser Zeit in einer einzigen Aufnahme (ganz ohne Tricks) den Himmel und die Bauwerke, Denkmäler usw. gleichmäßig belichtet bekommt, ohne das etwas zu stark unter- oder überbelichtet wird. Aber auch für unsere Augen können Städte und Landschaften zu dieser Zeit besonders magisch aussehen.

Die Blaue Stunde findet nach Sonnenuntergang statt, wenn sich die Sonne zwischen 4° bis 8° unterhalb des Horizonts befindet. Aber auch ohne Kenntniss der Sonnenhöhe unter dem Horizont kann die Blaue Stunde an den zeitlichen Himmelsverläufen (Keogrammen) dieser Wetterseite erkannt werden. Hier am Beispiel der Nacht vom 14 zum 15. Juni, als die Blaue Stunde in der Abenddämmerung von 22:06 bis 22:43 und in der Morgendämmerung von 04:11 bis 04:49 fiel (beides unten im Bild mit grünen Balken markiert):
 
 
In der Blauen Stunde ist das Himmelsblau besonders intensiv.

Die Blaue Stunde läßt sich auch anhand der Himmelshelligkeitsmessungen des Sky Quality Meters dieser Wetterseite herleiten. Wie am folgenden Diagramm sichtbar sind zu dieser Zeit Messwerte zwischen ca. 10 und 16 MPSAS ablesbar (blau umrandet). Zwischen Anfang und Ende der Blauen Stunde liegt also ein Dynamikumfang von immerhin rund 8 Blendenstufen:
 
 
Physikalisch lässt sich die Blaue Stunde durch die Wechselwirkung zweier Phänomene erklären. In unserer Atmosphäre wird hauptsächlich blaues Licht gestreut (sog. Rayleigh-Streuung), weshalb der Himmel blau erscheint. Je tiefer die Sonne am Horizont bzw. darunter steht, desto länger fällt der Weg des Lichts durch die Atmosphäre, weshalb das blaue Licht immer stärker "verstreut" wird und uns dann immer weniger blaues Licht erreicht.

Da der blaue Farbanteil dabei zunehmend stärker herausgefiltert wird, müsste der wolkenfreie Himmel über uns dann eigentlich gelb/rot erscheinen. Allerdings wird dann auch der Weg des Lichts durch die Ozonschicht deutlich länger, und dann nimmt die eigentlich schwächere Chappuis-Absorption die Oberhand, die Blau am Schwächsten filtert - Grün und Rot aber am Stärksten. Daher ist der Himmel wieder blau, auch wenn es komplett andere Effekte sind, die dies verursachen.

Früher, als die Straßenbeleuchtung bernsteinfarben (gelblich/orangefarben) war, sahen die Fotos während der Blauen Stunde besonders ausdruckstark aus, da der Farbkontrast zum blauen Himmel besonders stark ausfiel. Mit dem ökologisch unüberlegten Einzug stark blauhaltiger LEDs ging ein Teil dieser Magie verloren. So langsam findet mancherorts aber bereits eine Umstellung auf bernsteinfarbene LEDs, und Kulturdenkmäler können so zur Blauen Stunde in einem viel schönerem Licht erscheinen. Die Hauptmotivation zur Minderung des blauhaltigen Lichts während der Nacht ist aber freilich ein anderer: die schädigende Wirkung für Mensch und Tier zu reduzieren.

 
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