Lichtverschmutzung
Eine Übersicht der Auswirkungen
02. Mai 2022
 
 
Natürliches Tageslicht ist die Grundlage des Lebens auf der Erde. Aber auch die natürliche Dunkelheit der Nacht spielt eine überlebenswichtige Rolle. Allerdings geht die natürliche Dunkelheit wegen der stark zunehmenden und unbedachten künstlichen Beleuchtung immer mehr verloren.

Was ist Lichtverschmutzung?
Künstliches Licht hat zunächst einen erwünschten Beleuchtungseffekt. Gleichzeitig kommt es aber zu unerwünschten negativen Auswirkungen. Wenn diese negativen Auswirkungen den Außenbereich betreffen, spricht man von Lichtemissionen und Lichtverschmutzung. Dies gilt auch dann, wenn Licht zwar in Innenräumen leuchtet, aber ein relevanter Anteil nach Außen tritt.

Die circadiane Rhythmik
Die Eigendrehung der Erde und der daraus resultierende Wechsel von Tag und Nacht dienen als Taktgeber für die Lebewesen auf der Erde. Unsere innere Uhr hat sich mit dem 24-Stunden Rhythmus der Erddrehung synchronisiert: sie macht uns z.B. nach einer bestimmten Anzahl Stunden des Wachseins müde, damit wir den Bedarf spüren uns schlafen zu legen und einschlafen können.

Die innere Uhr steuert dabei unter anderem die Ausschüttung von Hormonen, den Schlaf, die Herzfrequenz, den Blutdruck, die Körpertemperatur und den Stoffwechsel. Kommt die innere Uhr z.B. beim Schlafrhythmus aus dem Takt, bemerken wir es als Jet-Lag. Und kommt sie dauerhaft aus dem Takt, steigt das Risiko für verschiedene Krankheiten.

Die innere Uhr hat sich über Jahrtausende durch Evolution an den 24-Stunden Rhythmus sowie den natürlichen Wechsel von Tag und Nacht angepasst. Erst vor weniger als 100 Jahren erhielt elektrisches Licht den Einzug in die Gesellschaft. Das ist weniger als 0,1% der Evolutionsdauer des heutigen Menschen, und dies erklärt auch warum wir nicht so einfach mit den Fingern schnipsen können, um uns von diesem Rhythmus zu lösen.

Melatonin - das "Schlafhormon"
Einen wichtigen Einfluss auf den Schlaf hat der Melatoninspiegel im Blut. Für das Einschlafen brauchen wir Melatonin. Licht unterdrückt aber die Produktion von Melatonin. Dabei reichen schon 12 Minuten Licht geringer Stärke aus. Und wenn das Licht einen hohen Blauanteil hat, reichen minimalste Lichtstärken aus. Das gilt sowohl für den Menschen als auch für die Tierwelt, wobei die Tierwelt teilweise deutlich sensitivere Augen als der Mensch hat.

Gesundheit
Der Einfluss der künstlichen Beleuchtung auf den Menschen hat dazu geführt, dass die Schlafdauer zurückgegangen ist. Dadurch sinkt allerdings die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, und Erkrankungen wie Schlafstörungen, Depressionen und Burn-Out-Erscheinungen werden begünstigt. Zudem steigt das Risiko für Diabetes, Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie auch für Alzheimer und Parkinson. Und sogar Tumorerkrankungen treten in Gebieten mit starker Lichtverschmutzung vermehrt auf.

Nachtaktive Lebewesen
Künstliches Licht hat aber nicht nur Auswirkungen auf tagaktive Lebewesen. Ebenfalls betroffen sind nachtaktive Tiere, die die Dunkelheit benötigen, bei der Nahrungssuche, der Jagd bzw. dem Schutz vor Jägern, der Fortpflanzung oder der Fortbewegung.

Manche Tiere fliegen vor allem nachts über weite Strecken. Dazu gehören insbesondere Zugvögel. Künstliche Lichtquellen ziehen allerdings Zugvögel an, was fatale Folgen für sie haben kann.

Künstliche Beleuchtung kann außerdem den Magnetsinn von Tieren dermaßen stören, dass ihr Orientierungssinn nicht mehr richtig funktioniert, und sie sich nicht mehr in die angedachte Richtung fortbewegen können.

Während einige Fledermausarten vom künstlichen Licht angezogen werden und sogar davon profitieren, dass Insekten vom Licht angezogen werden, meiden einige bedrohte Fledermausarten künstliches Licht und fliegen erst im Lauf des nächtlichen Rückgangs der künstlichen Beleuchtung raus. Durch verkürzt sich ihre Jagddauer deutlich.

Insektensterben und Artenverlust
Nicht nur Pestizide, der Verkehr und der Klimawandel führen zum Insektensterben. Auch künstliches Licht hat ihren Anteil daran, indem es Insekten stark anzieht, die oftmals der Lichtfalle nicht entkommen und vor Erschöpfung verenden oder anderen Tieren zur leichten Beute werden. Vor allem blaues Licht wirkt dabei anziehend auf sie.

Der Rückgang der Insektenpopulationen hat in der Zwischenzeit zum Teil dramatische Ausmaße angenommen. Wenn die Insektenpopulation dauerhaft stark zurückgeht, brechen irgendwann auch die Nahrungskette und das Ökosystem zusammen. Dies hat dann auch Auswirkungen auf den Menschen und die Wirtschaft.

Pflanzen
Pflanzen sind doppelt durch Lichtverschmutzung betroffen, und zwar zusätzlich zum negativen Einfluss durch den Rückgang der Insektenpopulationen.

Pflanzen werden nicht nur tagsüber, sondern auch nachts bestäubt, und zwar von Nachtfaltern. Diese werden allerdings nachts vom Licht in der Nähe von Pflanzen gestört und bestäuben die Pflanzen wesentlich weniger als wenn kein Licht vorhanden ist. Somit kommt es zu einer relevanten Minderung der nächtlichen Bestäubungsleistung, die am Tag nicht kompensiert werden kann. Dazu kommt, dass Nachtfalter auch Pflanzen anfliegen, die keine beliebten Ziele von tagaktiven Insekten sind.

Pflanzen müssen ihren Stoffwechsel an bevorstehende Jahreszeitenwechsel vorbereiten. Pflanzen erkennen die Jahreszeiten dabei aufgrund der Veränderung der Tageslänge. Durch künstliche Beleuchtung kann die Pflanze die Tageslängenänderung allerdings nicht richtig erkennen. Dies führt zu eine früheren Laubaustritt (Begrünung) und zu einem späteren Laubabwurf. Das verlängert die Vegetationsperiode und führt langfristig zu Erschöpfungszuständen der Pflanze.

Energieressourcen und der Rebound-Effekt
Durch den Einzug der LED-Technik dachte man eine wichtige Errungenschaft zur massiven Reduzierung des Energieverbrauchs erreichen zu können, da LED-Leuchten um ein Vielfaches effizienter als herkömmliche Leuchtmittel arbeiten. Eine moderne LED erreicht bis zum 10-fachen der Lichtmenge der alten Glühbirne bei gleichem Energieaufwand.

Allerdings führten diese deutlich niedrigeren Beleuchtungskosten der LED zum Rebound-Effekt: es wird nun um ein Vielfaches stärker und auch länger als vorher beleuchtet. Dadurch ist die eigentlich mögliche Einsparung verpufft und wir benötigen fast genauso viel Energie zu Beleuchtungszwecken wie vor dem Einzug der LED-Technik - Tendenz steigend. Gerade in Anbetracht der zunehmenden Ressourcenknappheit ein Problem. Wir vergeuden wichtige Ressourcen ohne Notwendigkeit - auch dann, wenn wir das Licht mittels erneuerbarer Energien wie Solarmodule produzieren.

Und als Nebeneffekt führt die Mehrbeleuchtung und der sorglosere Umgang mit dem "billigeren" Licht dazu, dass die Lichtverschmutzung massiv zugenommen hat, und das trotz minimal gestiegener Anwohnerzahl in Deutschland in den letzten 50 Jahren.

Unsichtbares Infrarot-Licht
Eine weitere moderne Errungenschaft sind Sicherheitskameras mit Infrarotlicht, die gerne mal so eingestellt werden, dass sie die ganze Nacht durchstrahlen. Zwar ist dieses Licht für den Menschen und den Großteil der Tiere nicht oder kaum sichtbar, aber diese Lampen verschwenden - vollkommen unbemerkt - Energieressourcen. Denn zu 99,9% der Zeit gibt es keinen Beleuchtungsbedarf.

Fernwirkung
Der Wechsel auf LED hat zu einem deutlich höheren Blauanteil im Licht als zuvor geführt, da die bisherigen LED-Generationen just im blauen Licht am effizientesten waren. Je kürzer die Wellenlänge des Lichts, umso stärker streut das Licht allerdings in der Luft, und desto weiter erstreckt sich der negative Einfluss auf die Umwelt.

Blaues Licht hat die kürzeste Wellenlänge und somit die stärkste Streuung. Damit ist der Grad der Lichtverschmutzung nochmal zusätzlich angewachsen, und zwar genau in den Wellenlängen, die den größten Anteil an den negativen Auswirkungen für Mensch und Tier haben.

In der Zwischenzeit werden zunehmend effizientere LED-Leuchten in warmen Lichtfarben (Gelb, Orange und Rot) auf den Markt gebracht. Der Effizienzunterschied zwischen Blau und Gelb/Orange wird immer geringer und ist fast schon verschwunden. Allerdings haben auch bisherige LED-Leuchten eine extrem lange Standzeit (sie halten im Grunde ein Leben lang), so dass zu selten der Anlass zu einem Austausch des Leuchtmittels gesehen wird und wir weiter mit den umweltschädlichen blauhaltigen LED-Leuchtmittel beleuchten.

Blendung
Genauso wie man es vom entgegenkommenden Auto mit eingeschaltetem Fernlicht kennt, wird man auch von immer mehr Leuchten außerhalb des Verkehrs geblendet, die zu hell, schlecht angebracht und nicht abgeschirmt sind. Deren Licht strahlt außerhalb der eigentlichen Nutzflächen, gänzlich ohne Nutzen für den Menschen.

Das Licht, das seitlich oder nach oben abstrahlt, führt zur starken Blendung. Diese ist bei Licht mit hohem Blauanteil am stärksten. Man sieht den Boden und Hindernisse nicht mehr richtig, was zu einer Gefährdung führt. Und Blendung verursacht natürlich auch Unbehagen.

Gerne werden sehr helle Leuchten mit intelligent anmutenden Techniken wie Bewegungsmelder kombiniert. Diese springen allerdings in der Mehrzahl der Fälle ohne Bedarf an und blenden den Verkehr und die Passanten.

Stadtbild und Ästhetik
Helle, kaltweise und sorglos angebrachte Leuchten verschlechtern zunehmend das Stadtbild. Wurden vorher nur bedeutende Bauten im schönen warmen Licht abends angeleuchtet, flutet nun jeder nach eigenem Gusto sein Gewerbe und seine privaten Außenbereiche. Dabei ergibt sich oftmals ein chaotisches und sehr unschönes Stadt- und Landschaftsbild.

Kulturgut Sternenhimmel
Der nächtliche Sternenhimmel ist durch die zunehmende Aufhellung immer weniger Menschen zugänglich. Davon sind nicht nur Astronomen betroffen, sondern alle Menschen. Denn der Sternenhimmel ist ein Kulturgut und ein Bindeglied zwischen Natur und Wissenschaft, der einen wichtigen Anteil am Fortschritt der Menschheit hat.

Aerosole in der Atmosphäre verstärken den negativen Einfluss der Lichtverschmutzung in Bezug auf die Sichtbarkeit des Sternenhimmels. Aerosole entstehen vor allem durch den Verkehr sowie die Verbrennung fossiler Brennstoffe und Holz. Aerosole streuen das Licht, so dass künstliches Licht zu uns zurückgelenkt und damit sichtbarer wird. Als Ergebnis erscheint der Himmel heller. Sterne und Himmelsobjekte lassen sich schlechter beobachten. Einige Aerosole sind gleichzeitig schädlich für den Menschen oder führen zur Erderwärmung.

Naturliebhaber
Für jeden Menschen, der die Natur liebt, und auch gerne Wanderungen und Beobachtungen in der Dämmerung oder in der Nacht durchführt, stellt Lichtverschmutzung ebenfalls ein Verlust eines wertvollen Guts dar.

Die Unbekannten
Weitere Auswirkungen von künstlichem Licht können nur erahnt werden. Einige licht- und dunkelheitsabhängige biologische Vorgänge müssen noch erforscht und die komplexen Zusammenhänge in der Natur entschlüsselt werden.
 
 
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