Leuchtende Nachtwolken 2022
Beitrag: 12. Juli 2022
Fotos: 20. Juni 2022
 
Leuchtende Nachtwolken (NLC) am Idsteiner Horizont, am 20. Juni 2022 ab 23:00 (für eine Vollbildansicht auf das Bild klicken, dort gibt es ein paar Worte zu den Sternbildern und ein weiteres Bild)

Das obige Foto stellt ungefähr das dar, was man mit bloßem Auge sehen kann. Der Blick geht tief in den Nordhorizont. Man braucht daher einen möglichst freien Horizontblick: Berge und Baumreihen müssen weiter entfernt sein, und es darf - so paradox es klingen mag - auch nicht bewölkt sein. Denn die Leuchtenden Nachtwolken schweben um ein Vielfaches höher (80 km) als normale Wolken (max. 13 km), und sie sind in der Regel auch weit im Norden, so dass sie von normalen Wolken, die tiefer schweben und auch wesentlich näher zu uns sind, verdeckt werden würden.

Hier ein Video (Zeitraffer) in der gleichen Nacht, mit einem leichten Teleobjektiv aufgenommen, weshalb die Leuchtenden Nachtwolken größer erscheinen, als wir sie mit bloßem Auge aus dieser Entfernung erkennen würden (auf das untere Bild klicken, um das Video zu starten):
 
 
Die Wolken wirken wie Wellen eines im Himmel befindlichen Meeres.

Hier ein zweites Video mit einen größeren Himmelsausschnitt. Dort kann man besser erkennen, wie die Sterne scheinbar nach rechts wandern, da die Erde sich entgegengesetzt dreht (auf das untere Bild klicken, um das Video zu starten):
 
 
Im typischen Fall, dass die Leuchtenden Nachtwolken irgendwo in Polarregionen herumschweben, sehen wir sie tief im Nordhorizont die ganze Nacht im Juni und Juli. Die Sonne sinkt dabei maximal auf ca. 16° unter dem Horizont, was gerade noch ausreicht, damit die Leuchtenden Nachtwolken, die von uns aus sichtbar sind, von der Sonne angeschienen werden.

Unsere Nächte im Juni und Juli sind nicht nur sehr kurz, sondern sie sind in Wirklichkeit keine echten Nächte, da die Sonne nie 18° unter dem Horizont sinkt. Daher befinden wir uns selbst im tiefsten Sonnenstand unter dem Horizont noch in der astronomischen Dämmerung - weiße Nächte über Idstein! Allerdings fällt uns das nicht wirklich auf, da die Lichtverschmutzung den dunkleren Himmel in anderen Jahreszeiten einfach überstrahlt.

Aber auf der Horizontseite, unter der sich gerade die Sonne befindet, ist der Himmel klar erkennbar die ganze Nacht über durch die Sonne etwas aufgehellt. Und im Sonnenstandsdiagramm der Wetterseite kann man das Ausbleiben der Nacht erkennen - hier am Beispiel des 21. Juni 2022, dem längsten Tag des Jahres (der blaue Teil der Kurve zwischen der Abend- und der Morgendämmerung ist miteinander verbunden - eine durchgehende astronomische Dämmerung):
 
 
In den Beiträgen vom letzten Jahr vom 29. Juni 2021 und 02. Juli 2021 hatte ich schon einiges zu den Leuchten Nachtwolken geschrieben. Wir wissen, dass die Leuchtenden Nachtwolken bei ca. 80 km Höhe auftreten, dass sie direktes Sonnenlicht brauchen, damit sie für uns sichtbar werden, und der Himmel dunkler als die Leuchtenden Nachtwolken sein muss, damit wir dieses schwaches Leuchten überhaupt wahrnehmen können.

Aus der Erfahrung kann man sagen, dass der Himmel über unseren Köpfen genau dann dunkel genug ist, wenn die Sonne 6° (oder mehr) unter dem Horizont gesunken ist - also zu Beginn der nautischen Dämmerung. Den exakten Zeitpunkt kann man täglich unter der Sonnenseite nachschlagen. Falls zu dieser Zeit Leuchtende Nachwolken exakt über unseren Köpfen wären, würde man sie dann sehen. Diesen - bisher sehr selten - Fall gab es auch dieses Jahr einmal: am 06. Juli 2022 gegen 4:30 morgens, hier an einer Aufnahme der Himmelskamera zu sehen (nur die linke Bildhälfte enthält Leuchtende Nachtwolken):
 
 
Und zum Abschluss noch etwas Mathematik für die Berechnung des Sonnenstands, an dem wir Leuchtende Nachtwolken im Zenit (direkt über unseren Köpfen) überhaupt sehen können - wenn sie denn einmal da sind. Im folgenden Diagramm stehen wir als Beobachter unterhalb des gelben "H" (dort wo sich die graue und die schwarze Linien kreuzen):
 
 
Die Sonne ist dabei um den Winkel w unter unserem Horizont gesunken. Das bedeutet, die Erde hat sich um diesen Winkel gedreht. Daher kann man den Winkel sowohl an der Horizontlinie ablesen, als auch zwischen der eingezeichneten Hypotenuse und Ankathete, die vom Erdmittelpunkt ausgehen.

Da wir den Erdradius R (6370 km) sowie auch die Wolkenhöhe H (80 km) kennen, und der Cosinus des Winkels w gleich der Ankathete geteilt durch die Hypotenuse ist, können wir den Winkel ermitteln, an dem die Leuchtenden Nachtwolken über uns kein Sonnenlicht mehr bekommen: beim Sonnenstand von ca. 9° unter dem Horizont. Wir können solche ohnehin seltenen Ereignisse (von Leuchtenden Nachtwolken direkt über uns) also nur in einer kurzen Zeitspanne spät abends oder früh morgens sehen.

 
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