Polarlichter über Idstein
Beitrag: 07. November 2023
Fotos: 05. November 2023
 
Am frühen Abend des 5. November, just als die nautische Dämmerung zu Ende ging (die Sonne also 12° unter den Horizont gesunken war), zeigte die Himmelsansicht der Wetterseite im Norden ein helles und farbprächtiges Lichtband: Polarlichter!
 
Also schnell ein nach Norden ausgerichtetes Fotoapparat aufgebaut und gleich die Ernüchterung: die Fensterlichterkette eines Nachbarn, sowie die an der Fensterbank angebrachten Leuchte eines anderen Nachbarn, und der Kronleuchter eines dritten Nachbarn machten die Beobachtung unmöglich (im Bild zu sehen sind diverse Blendlichtstrahlen, mit bloßem Auge waren nichtmal Sterne erkennbar):
 
 
Rollläden, Gardinen, Jalousien und Plisses sind scheinbar heutzutage nicht mehr angesagt. Was leider dazu führt, dass ein Großteil des künstlichen Lichts nach oben und seitwärts in die Umwelt hinausstrahlt - vor allem für die Tierwelt fatal. Nun denn, die Welt muss an einem anderen Tag gerettet werden, die Polarlichter warten nicht! Also schnell meine Sachen gepackt und ab in die derzeit sehr windige und daher ungemütlich kalte Natur, auf der Suche nach einem Eckchen mit Horizontblick, an dem die ganzen Autofernlichter nicht direkt reinknallen.

Um 20:26 kam dann glücklicherweise eine zweite Welle des Polarlichtsturms. Wenngleich sie nicht so kräftig wie die erste Welle ausfiel, so war es immerhin mein allererstes mit bloßem Auge beobachtete Polarlicht:
 
 
Die roten Lichtbänder reichten hoch bis zur Milchstraße und waren damit tatsächlich über uns gewesen. Hoch in Skandinavien, wo die Polarlichter eigentlich "zu Hause" sind, konnten diese Bänder laut dem Bericht eines Kollegen (vom Arbeitskreis Meteore beim VDS) ganz tief im Südhorizont beobachtet werden.

Die hellen - im Bild etwas verwaschene - Säulen werden "Beamer" genannt. Sie bewegen sich meistens seitwärts hin und her. Im konkreten Fall - beim zweiten Maximum des Abends - legten sie ein Seitwärtsbewegung von Osten nach Westen hin. Dies lässt sich im Video-Zeitraffer gut verfolgen (zum Abspielen anklicken, zurück gehts danach mit der Zurück-Schaltfläche des Browsers):

→ Zeitraffer des zweiten Maximums

Weiter oberhalb des hellen Säulenbands ist zudem ein zweites rotes Lichtband zu sehen, das sich von der linken bis zur rechten Horizontseite erstreckt. Dieses war über viele Stunden fotografisch nachweisbar. Dieses Lichtband wird "SAR" genannt - eine Abkürzung für "Stable auroral red arc", was übersetzt so viel wie "stabiler roter Polarlichtbogen" bedeutet.

Der Name ist zunächst etwas irreführend, da es sich bei den SAR-Bögen nicht um Polarlicht im eng wissenschaftlichen Sinne handelt, sondern um planetarische Wärmeenergie, die aus dem Ringstromsystem der Erde in die obere Atmosphäre gelangt. Da aber dieser Ringstrom eben durch den vom Sonnenwind verursachten geomagnetischen Sturm "hochgepumpt" wird, kommt es dadurch zur Entladung von Energie, die durch den SAR-Lichtbogen sichtbar wird. Insofern hängt schon alles eng zusammen und es handelt sich um hochatmosphärische Leuchterscheinungen, die zum Polarlichtkomplex gehören. Im Fachjargon wird der SAR-Bogen unter den "Subauroral phenomena" klassifiziert.

Zeitweise tanzten innerhalb des SAR-Bogens rote Säulen herum - ähnlich wie die von normalen Polarlichtern, wie man im folgenden Zeitraffer erkennen kann:

→ Zeitraffer des SAR und des zweiten Maximums in der Totalansicht

Neben den beiden roten Bändern ist zudem ein dünnes grünes Lichtband tief am Horizont erkennbar: das sind tiefe Polarlichter, die nur hoch im Norden möglich sind, weil nur dort der Sonnewind so tief in die Atmosphäre eindringen kann. Hier in einer Detailansicht besser zu erkennen:
 
 
Abschließend ein Zeitraffer des gesamten Abends mit den beiden Maxima des Polarlichtsturms, von der Himmelskamera der Wetterstation von 17:45 bis 21:00 eingefangen. Das Bild ist um 180° gedreht:

→ Zeitraffer des kompletten Abends

Soweit für den Moment. Demnächst folgt ein Beitag mit empfohlenen Seiten und Apps für die Polarlichtvorhersage sowie den aktuellen Status der Polarlichtaktivität. Dieses und nächstes Jahr ist aufgrund des Aktivitätsmaximums der Sonne mit weiteren Polarlichten zu rechnen. Das waren jetzt schon die 3. oder 4. kräftigen Polarlichter in diesem Jahr, die von Hessen aus verfolgt werden konnten.


 
 → Gesamt-Archiv
 
 → Wetterseite
 
 → Kontakt
 
 
 © 2023 Carl Herzog